Donnerstag, 18. April 2013
Schutzbestimmung zur Absicherung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte vor Patentansprüchen
>
Die Schutzklausel verhindert, dass Patentrechte mit den urheberrechtlichen Verwertungsrechten kollidieren und sie ins Leere laufen lassen. So werden nach die tatsächlichen Leistungen der Entwickler geschützt und Innovation im Markt ermöglicht.
In Anlehnung an den Bundestagsantrag 17/13086 hat der BIKT den folgenden Ansatz für eine gesetzliche Regelung zur Wiederherstellung der Rechtssicherheit für Softwareentwickler entwickelt:
Empfohlen wird die Aufnahme der folgenden Bestimmung in § 69 g des Urheberrechtsgesetzes:
§ 9 und § 10 PatG entfalten gegenüber Computerprogrammen keine Wirkung. Ein Computerprogramm kann weder direkt noch mittelbar Objekt eines patentrechtlichen Verbots sein. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn das Computerprogramm als austauschbares Äquivalent eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzt.
In Europa sind nach dem Wortlaut und der Intention des Gesetzes Computerprogramme von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Die Erteilung von softwarebezogenen Patenten steht zudem im Widerspruch zum „copyright approach“, der in der EG-Softwarerichtline (Richtlinie 2009/24/EG bzw. Richtlinie 1991/250/EWG) seinen Ausdruck findet. Trotzdem existieren nach Schätzungen derzeit über 70.000 softwarebezogene Patente, die allein vom Europäischen Patentamt erteilt wurden.
Softwarepatente gewähren ausschließliche Nutzungsrechte auf Problemlösungen, die in Form von Computerprogrammen umgesetzt werden. Patentiert wurden dabei im großen Umfang auch grundlegende und triviale Funktionen, sodass bereits heute fast jede Software zahlreiche Patente verletzt. Folge hiervon ist, dass Softwareentwickler ihre urheberrechtlich vorgesehenen Verwertungsrechte nicht mehr rechtssicher wahrnehmen können und unkalkulierbaren Haftungsrisiken aufgrund von möglichen Patentverletzungen ausgesetzt sind.
Diese Situation ist mit verfassungsrechtlichen Prinzipien unvereinbar und wiederspricht dem Leistungsprinzip. Denn der Softwareentwickler, der eine Problemlösung eigenständig detailliert konzeptionell ausarbeitet und in einem langwierigen Prozess das konkrete Programm entwickelt, leistet stets deutlich mehr als der Patentanmelder, der lediglich die abstrakte Idee auf wenigen Seiten in patentjuristischer Formulierung zu Papier bringt (vgl. auch R. Keller, "Softwarebezogene Patente und die verfassungsrechtlichen Eigentumsrechte der Softwareautoren aus Art. 14 GG", Sierke Verlag ISBN 13 978-3-86844-119-2). In der Praxis werden softwarebezogene Patente von Softwareentwicklern bei der Lösungsfindung weder herangezogen noch wären sie aufgrund ihrer Abstraktheit hilfreich.
- Rechtssicherheit durch Stärkung des Urheberrechts
Seit vielen Jahren wird über einschränkende Definitionen unscharfer Begriffe wie dem des Technikbegriffs oder der „als solche“- Bestimmung aus § 1 PatG diskutiert. Dies würde zwar die Neuerteilung von softwarebezogenen Patenten durch das DPMA erschweren und für die Zukunft die Rechtssicherheit von Softwareentwicklern tendenziell stärken. Ebenso können auch alternative Ansätze zur Abgrenzung von patentfähigen und nicht patentfähigen Gegen-ständen wie z.B. die vom Bundesverband Informations- und Kommunikationstechnologie (BIKT) vorgeschlagene Substitutionsregel bei der Patenterteilung für die Zukunft Wirkung entfalten (vgl. Stellungnahme des BIKT zum EPA-Amtsverfahren zu softwarebezogenen Patenten).
Der immense Bestand an bereits erteilten softwarebezogenen Patenten bliebe jedoch weiter bestehen, wodurch die Rechtsunsicherheit für Softwareentwickler weiter fortbestünde. Auch hätte eine Konkretisierung des deutschen Patentgesetzes keine Wirkung auf die Erteilungspraxis des Europäischen Patentamtes, dessen Patente ebenfalls Wirksamkeit im Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland haben.
Eine klarstellende Regelung im Patentrecht zur Einschränkung bzw. zur Unterbindung der Erteilung softwarebezogener Patente ist zwar ein notwendiger Schritt. Jedoch kann verlässli-che Rechtssicherheit für Softwareentwickler nur durch die Verankerung einer geeigneten Schutzbestimmung im Urheberrecht erwirkt werden, die die Durchsetzung softwarebezogener Patentansprüche im gerichtlichen Verletzungsverfahren wirksam unterbindet.
Der BIKT empfiehlt die Aufnahme der folgenden Bestimmung in § 69 g des Urheberrechtsgesetzes:
§ 9 und § 10 PatG entfalten gegenüber Computerprogrammen keine Wirkung. Ein Computerprogramm kann weder direkt noch mittelbar Objekt eines patentrechtlichen Verbots sein. Dies gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn das Computerprogramm als austauschbares Äquivalent eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzt.
§ 9 und § 10 PatG definieren die Verbotsrechte des Patentinhabers. Sie erlauben dem Patentinhaber zu verbieten, dass ein Erzeugnis, das Gegenstand des Patents ist, hergestellt, angeboten , in Verkehr gebracht oder durch den Hersteller oder Dritte benutzt wird.
Die Verankerung dieser klarstellenden Bestimmung erwirkt durch die unmittelbare Absicherung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte vor Patentansprüchen Dritter die größtmögliche Rechtssicherheit für Softwareentwickler im Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland und hat zudem weitere Vorteile:
• Die Bestimmung lässt einen sehr geringen Auslegungsspielraum. Alle Parteien und die Rechtsprechung können einfach beurteilen, ob rechtliche Ansprüche aus §§9 und 10 PatG für die beanspruchte Problemlösung zum Tragen kommen oder nicht.
• Bereits im Patentverletzungsprozess kann festgestellt werden, ob Ansprüche rechtlich durchsetzbar sind oder nicht.
• Der auf Patentverletzung beklagten Partei bleibt es so erspart, ein langwieriges, kostspieliges Nichtigkeitsverfahren zu führen (Dauer mehrere Jahre und Kostenrisiko pro Patent in der Größenordnung 150.000 € und darüber hinaus bei bis zur letzten Instanz geführten Verfahren). Hierdurch wird das hohe Gefährdungspotential für Softwareentwickler, das durch die große Anzahl softwarebasierter Patente besteht, unmittelbar entschärft.
• Die Bestimmung wirkt sich unmittelbar auf Ansprüche aus allen für den Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland erteilten Patente aus, d.h. sowohl vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) als auch vom Europäischen Patentamt (EPA) erteilte Patente.
Die unmittelbare Absicherung der urheberrechtlichen Verwertungsrechte bietet Softwareentwicklern also deutlich mehr Rechtsicherheit als eine Konkretisierung der gesetzlichen Bestimmungen des Patentrechts.
- B. Zulässigkeit einer klarstellenden Bestimmung im nationalen Urheberrecht
Eine solche Klarstellung steht nicht im Widerspruch zu Art. 8 S. 1 der Richtlinie 2009/24/EG (Art. 9 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 1991/250/EWG), der anordnet, dass die Richtlinie den Vorschriften des Patentrechts nicht entgegen steht. Zunächst ist festzuhalten, dass nur die Vorschriften dieser Richtlinie das Patentrecht unberührt lassen. Weitergehende Regelungen der Mitgliedsstaaten sind folglich von Art. 8 S. 1 seinem Wortlaut nach nicht erfasst. Weiterhin ist Art. 8 S. 1 der Richtlinie im Lichte des die Richtlinie tragenden „copyright approach“ zu verstehen, der einer solchen Patenterteilungspraxis entgegen steht. Art. 8 S. 1 der Richtlinie hindert die Mitgliedsstaaten daher nicht, den Rechten der Urheber, wie sie durch die Richtlinie selbst vorgezeichnet sind, zur tatsächlichen Wirksamkeit zu verhelfen. Dies ist im Gegenteil geradezu durch den europarechtlichen effet utile geboten.
- C. Erläuterung der empfohlenen Bestimmung
Angestrebt wird eine größtmögliche Rechtssicherheit für Softwareentwickler im Rechtsraum der Bundesrepublik Deutschland durch eine Regelung mit möglichst geringem Auslegungsspielraum. Diese Regelung soll sich unmittelbar einschränkend auf die rechtliche Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus § 9 und § 10 PatG (Benutzungsrecht und Verbot der unmittelbaren und mittelbaren Benutzung) in Patentverletzungsverfahren vor deutschen Gerichten auswirken.
In Anlehnung an den Bundesantrag 17/13086 sind hinsichtlich der rechtlichen Durchsetzbarkeit der Ansprüche zwei Fälle zu unterscheiden:
1. Die rechtliche Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus softwarebezogenen Patenten, d.h. Patenten auf Problemlösungen, die nur von einem Computer oder dem menschlichen Gehirn ausgeführt werden können, soll unterbunden werden. Dies betrifft abstrakte Lösungen auf dem Gebiet der reinen Datenverarbeitung, der softwarebasierten Wiedergabe von Informationen und programmgestützten Steuerungsaufgaben.
2. Unberührt von der Regelung sollen Ansprüche aus softwareunterstützbaren Lehren sein, bei denen das Computerprogramm lediglich als austauschbares Äquivalent eine mechanische oder elektromechanische Komponente ersetzt, wie z.B. eine softwarebasierte Waschmaschinensteuerung ein elektromechanisches Programmschaltwerk aus drehbaren Walzen, die Steuerungsschaltkreise für einzelne Waschprogrammschritte aktivieren, ersetzen kann.
Diese beiden Fälle können mit der folgenden Substitutionsregel einfach unterschieden werden:
Kann die Lehre, so wie sie sich in den Patentansprüchen darstellt, ganz oder zum Teil von einem Computer ausgeführt werden, so muss geprüft werden, ob der Computer als Mittel zur Umsetzung der Lehre ersetzbar (substituierbar) ist. Im Falle der Substituierbarkeit liegt lediglich eine softwareunterstützbare Lehre vor, die grundsätzlich patentierbar ist. Andernfalls ist eine ganz oder zum Teil softwarebezogene Lehre gegeben, die insoweit nicht patentierbar ist und für die Ansprüche aus § 9 und § 10 PatG nicht zum Tragen kommen.
Computer im Sinne dieser Definition ist jede Von-Neumann- oder Harvard-Architektur, daher jedes Rechenwerk, welches aus einem Speicher, einem Bus und mindestens einer Zentraleinheit besteht. Gleichgültig ist hierbei mit welchen Komponenten (Kondensatoren, Röhren, Relais oder integrierte Schaltkreise) der Rechner konstruiert wird.
-------------------------------
Von-Neumann-Architekur: vgl.
de.wikipedia.org/wiki/Harvard-Architektur
Harvard-Architektur: vgl.
de.wikipedia.org/wiki/Von-Neumann-Architektur